Die Jagd ist vorbei und es ist dunkel geworden im Dschungel, die Regentropfen fallen millionenfach zwischen den Urwaldbäumen auf den Boden. Oteng Zuel verschliesst den Behälter mit den tödlichen Giftpfeilen, legt ihn zum Blasrohr und zieht sein Handy aus der Hosentasche. Durch den Regen dringt das Rauschen des nahen Flusses. Oteng zündet sich eine Zigarette an. Während er den Rauch in die Nachtluft bläst, blickt er gebannt auf das bläulich schimmernde Display. Dort zaubert der charismatische Teilnehmer einer britischen Talentshow fünf weisse Tauben aus dem Ärmel seiner Lederjacke hervor und lässt sie danach im Nichts verschwinden. Blitze zucken am Himmel über den Baumkronen. Unter dem schulterhohen Dach der Hütte rutschen Alvin, Jot und Watson etwas näher zusammen. Vor ihnen über dem Feuer brät an einem Holzspiess ein Urwaldvogel. «Los, machen wir ein paar Bilder», ruft Oteng aus dem Dunkel hinüber. Die vier Freunde lassen Zigaretten und Schnapsflasche verschwinden, legen einander den Arm um die Schulter, dann erhellt grell der Blitz der Handykamera die Nacht. Selfie-Time im Dschungel Borneos.
Alvin, Jot, Watson und Oteng sind Angehörige der Penan, einer indigenen Volksgruppe auf Borneo im Südchinesischen Meer. Ihr Dorf Long Lamai liegt im malaysischen Teil der Insel, dort, wo die Flüsse Balong und Lamai zusammenfliessen, umgeben von Urwald und hohen Bergen. Hier lebten sie als Selbstversorger, fernab der modernen Zivilisation.
Bis die Dorfältesten vor fünf Jahren einen Entscheid trafen, der das Dorf geradewegs ins digitale Zeitalter beförderte.
Am nächsten Tag gegen Mittag kehren die vier Kindheitsfreunde von ihrem Schlafplatz ins Dorf zurück und binden ihr Holzboot am Ufer fest. Oteng macht sich über einen Pfad auf den Rückweg zu seiner Familie. Vorbei an einem Dutzend einfacher Holzhäuser auf Stelzen, der Kirche, der Primarschule, dem Gemeindezentrum. Hühner und Hunde spazieren frei herum, ein zahmer Makaken-Affe schwingt sich auf einem Baum von Ast zu Ast. Zwischen den Häusern verschwindet ein langhaariger Mann mit Gewehr in Richtung Dschungel.
Während mehr als 1000 Jahren zogen Otengs Vorfahren in kleinen Gruppen als Nomaden durch die Urwälder. Bei drohenden Konflikten zogen sie sich tiefer in die Wälder zurück und mieden selbst in friedlichen Zeiten den Kontakt zu den anderen Inselvölkern. Vor 50 Jahren erst wurde die erste Nomadengruppe in Long Lamai sesshaft. Seither haben alle 12000 Penan das Nomadenleben aufgegeben, nachdem evangelikale Missionare aus Australien sie beharrlich dazu gedrängt hatten. Und weil mit der anhaltenden Abholzung ein Grossteil ihres Lebensraumes verschwunden ist.
In Long Lamai ist aus der anfänglichen Ansammlung von Hütten das grösste Dorf der Penan geworden, 600 Menschen wohnen heute am Ufer des Balong. Bis vor wenigen Jahren führten die einzigen Verbindungen zur Aussenwelt über einen schmalen Pfad durch den Wald oder im Einbaum über den Fluss. Wer eine Nachricht in einen anderen Ort überbringen liess, wartete manchmal Monate auf eine Antwort. Es gab keinen Strom, kein Telefon, keinen Fernseher, kein Internet. Und stünde in der Mitte des Dorfes nicht ein eingezäunter Sendemast, umringt von sechs Solarpanels und einer Satellitenschüssel, man könnte meinen, es habe sich seither kaum etwas verändert.
Die ersten Vorboten der Veränderung erreichten das Dorf am 14. Januar 2008. Kurz vor Sonnenuntergang stiegen zwei Kommunikationswissenschafter der Universität Malaysia Sarawak aus dem Einbaum ans Ufer, ohne Ankündigung, aber mit einer grossen Idee. Sie wollten die moderne Welt in den Dschungel bringen.
Am nächsten Tag trafen sie den Häuptling und den Rat der Ältesten in der turmlosen Dorfkirche. Die Besucher erzählten, wie das Dorf den Anschluss ans digitale Zeitalter finden sollte, wie die Frauen mithilfe des Internets ihre geflochtenen Matten und Armreife verkaufen, wie Touristen kommen, der Wohlstand im Dorf wachsen und die junge Generation eine Zukunft finden könnte. «Seid ihr damit einverstanden?», fragten die Forscher. Die meisten der Männer hatten nie zuvor von diesem Internet gehört, noch nie einen Computer gesehen oder mit einem Handy telefoniert. Alles, was sie wirklich kannten, war der Wald.
«Stärkt diese Technologie unser Dorf oder schwächt sie unsere Kultur?», fragten sie zurück. Sie wollten Zeit zum Nachdenken und verabschiedeten die Besucher ohne einen Entscheid.
Wochenlang diskutierten die Ältesten über das Angebot, sprachen mit jüngeren Dorfbewohnern, die in den Städten bereits Erfahrungen mit den modernen Technologien gemacht hatten, und befragten ihre Ahnen. Noch zwei weitere Male mussten die Forscher in den Dschungel reisen, bis sie bei ihrem vierten Besuch schliesslich die Einwilligung der Ältesten erhielten. Besorgt über die Abwanderung der jungen Generation und im Vertrauen auf die Versprechungen der Wissenschafter, hatten sie sich für den Wandel entschieden.
In den folgenden Monaten kam das Internet Stück für Stück in den Dschungel. Die Universität hatte vorgeschlagen, das Material mit einem Helikopter zu transportieren, doch die Bewohner von Long Lamai wollten es anders. Sie verluden die Bauteile in einem nahe gelegenen Ort von Lastwagen auf schmale Holzboote. Die alte Kirche wurde abgerissen und an ihrer Stelle der baumhohe Sendemast aufgebaut. Daneben entstand das Telecenter, eine 30 Quadratmeter grosse Holzhütte, in der zwei veraltete Dell-Computer stehen. Transport und Aufbau dauerten ein Jahr, bis die Antenne am 28. September 2009, betrieben mit Solarzellen, ihr erstes Signal in den Himmel sendete.
Sehnsucht in den Shoppingmalls
Oteng Zuel sitzt auf einer Couch im Holzhaus seiner Eltern, hinter ihm flimmert der Fernseher. «Das moderne Leben hat mich überholt», sagt er. Während Long Lamai im digitalen Zeitalter ankam, lebte er 600 Kilometer weit entfernt. Mit elf Jahren verliess er das Dorf für die obligatorische Schule. Von einem benachbarten Ort zog er über das Meer nach Kuala Lumpur in West-Malaysia und machte dort seinen Abschluss. Spätestens hier endet für die meisten Penan die Schulzeit, da sie sich eine weiterführende Ausbildung nicht leisten können. Doch Oteng hatte Glück und erhielt ein Stipendium.
Zurück auf Borneo begann er in Kuching, mit einer halben Million Einwohner die grösste Stadt der Insel, seine Ausbildung an einer Hotelfachschule. Er arbeitete in einem Restaurant, brauste auf seinem Motorrad durch die Strassen, besuchte Konzerte, tätowierte sich den Namen eines Mädchens auf den Rücken, auf das Bein zwei Flügel und verbrachte die Wochenenden feiernd mit seinen Freunden am Strand vor der Stadt. Vergessen waren die ersten Wochen, in denen er orientierungslos durch die Strassen und Shoppingmalls irrte, doch seine Sehnsucht nach dem Dschungel war geblieben. «Mir gefiel mein Leben in der Stadt, zugleich vermisste ich mein Dorf», sagt Oteng. Die Zerrissenheit wurde zu einem ständigen Begleiter, bis die Sehnsucht eines Tages zu gross wurde, er das Studium vorzeitig beendete und seinen Freunden Lebwohl sagte. Das war vor einem Jahr.
Bei seiner Rückkehr fand er statt des abgeschiedenen Orts seiner Kindheit einen Aussenposten der digitalen Moderne. Seine Schwester hört jetzt auf dem Laptop des Vaters Rihanna, seine Freunde haben auf Facebook eine eigene Gruppe gegründet. Und wenn am Abend die letzten Lichter ausgehen, dann leuchtet in der Mitte des Dorfes, zuoberst auf dem Sendemast, immer noch ein rotes Licht. Oteng hilft seinen Eltern auf dem Feld und verdient als Bootsfahrer etwas Geld. Am meisten Zeit aber verbringt er im Wald, wandert dem Fluss entlang, ersteigt die Gipfel der nahen Berge, macht Jagd auf Bären und fängt mit dem Wurfnetz Fische. Ob er für ein paar Stunden oder mehrere Tage verschwindet, drei Dinge hat er immer dabei: über der Schulter sein Blasrohr, um die Hüfte das Buschmesser und in der Tasche das Handy. Um Bilder zu machen, am Abend Videos zu schauen, Musik zu hören. Urwald und Internet, Pfeiljagd und Selfies, für Oteng sind das keine Gegensätze mehr.
«Wir sind jetzt moderne Penan», sagt er mit Stolz, «und brauchen beides. Das traditionelle und das moderne Leben.»
Die Veränderungen, die vor fünf Jahren ihren Anfang nahmen, ergreifen immer weitere Teile des Lebens in Long Lamai. Da ist der Hydrogenerator am Fluss, der das Dorf seit zwei Jahren mit Strom versorgt. Am Waldrand sammelt sich in grossen Haufen der Abfall, seit im Dorf ein kleiner Lebensmittelladen eröffnet hat. Aus den Städten gesandte Lehrer unterrichten an der Primarschule die Dorfkinder. Die Jugendlichen tätowieren sich als Erkennungszeichen Musiknoten auf die Hände und kaufen im nächsten Dorf Bier und Zigaretten, die sie heimlich am Flussufer konsumieren. Und neben dem Sendemast steht das von der Regierung gesponserte Gemeindezentrum mit Neonröhren, in welchem die Dorfversammlungen stattfinden und wo der Häuptling ein leeres Büro hat, das er nie benutzt.
Die vielleicht deutlichsten Zeichen des Wandels aber liegen am Ufer des Flusses. Was in industriellen Städten die Fabriken, sind hier die Boote: Symbol von Entwicklung, Wohlstand und wachsendem Konsum. 30 bunt bemalte und motorisierte Einbäume säumen die lange Böschung, zehnmal so viele wie noch vor wenigen Jahren.
Seit das Dorf digital erreichbar ist, finden auch erste Besucher den Weg hierher. Botaniker, Missionare, Ethnologen, ein paar wenige Individualtouristen. Weil bis heute keine Strasse nach Long Lamai führt, kommen sie alle über den Fluss. Und mit ihnen das Geld. Sie bezahlen für die Bootsfahrt, den Guide, einen Übersetzer oder die Übernachtung bei einer Familie. Die neuen Einkommensmöglichkeiten schaffen Perspektiven und locken die Jungen ins Dorf zurück. Neben Oteng Zuel sind in den vergangenen Jahren 20 weitere junge Männer aus den Städten zurückgekehrt. Von den Einkünften kaufen sich die Bewohner Eisschränke, Satellitenfernseher und Waschmaschinen. So spielt das Geld, welches bis vor wenigen Jahren kaum vorhanden war, jetzt eine zentrale Rolle in Long Lamai.
Wie einst als Kinder
Doch nicht alle können mit dem rasanten Wandel Schritt halten. Viele der älteren Penan beobachten die Veränderungen mit Besorgnis. Einer von ihnen ist Imang Lete. Das Gesicht des 70-Jährigen hat jungenhafte Züge, mit seiner Baseballkappe und der seltsam modischen Brille könnte er auch ein etwas verschrobener Grossstädter sein. Aber Imang Lete geht nie in die Stadt, sein Zuhause ist die Natur.
Es ist früher Morgen, durch den Nebel dringen erste Sonnenstrahlen. In seiner Hütte schultert Imang einen geflochtenen Korb, wählt eines seiner elf Blasrohre aus und bindet das Messer um die Hüfte. Draussen vor der Holztüre wartet bereits seine Frau. Seit sie nicht mehr gut hört und er nicht mehr weit sieht, besuchen sie ihr Feld nur noch gemeinsam. Auf einem schmalen Pfad betreten sie den Wald, überqueren rauschende Bäche und umgestürzte Bäume. Nach einer halben Stunde Fussmarsch endet das Dickicht, dahinter liegt ein Feld, so gross wie ein Fussballplatz. Was Imang und seine Frau zum Essen brauchen, finden sie hier. Sie kommen fast jeden Tag, bleiben manchmal für mehrere Nächte. Dann schlafen sie wie einst als Kinder in einer Hütte aus nichts als Ästen und Laub. «Ich kann nicht lange an einem Ort bleiben», sagt Imang, «in meinem Wesen bin ich immer noch ein Nomade.»
Wenn Imang von seinem Leben erzählt, erzählt er auch die Geschichte der Penan. Er verbrachte die ersten 20 Jahre seines Lebens als Nomade in den Wäldern und gehörte zu den Ersten, die vor 50 Jahren in Long Lamai sesshaft wurden. Seither hat sich nicht nur das Dorf verändert. Holzunternehmen haben im malaysischen Teil der Insel 80 Prozent der Regenwälder abgeholzt und sind auch bis hierher vorgedrungen. Die Abholzung ist das kollektive Trauma der Penan. «Als wir noch Nomaden waren, herrschte Friede im Wald», sagt Imang. Doch viele der Bäume seien verschwunden und mit ihnen auch zahlreiche Tiere. Den Wald, wie ihn Imang als junger Mann kannte, gibt es nicht mehr.
Nach der Abholzung und der Sesshaftigkeit sei die Modernisierung die dritte grosse Veränderung in seinem Leben, sagt Imang. «Das Internet ist die beeindruckendste Technologie, die ich kenne, doch ich habe keine Vorstellung, wie sie funktioniert.» Er besitzt kein Handy, hat sich noch nie vor einen Computer gesetzt. Es mache ihn unglücklich, dass die Jungen sich so sehr für das moderne Leben interessieren. «Wenn sie ihre Herkunft vergessen, wird es für sie auch keine Zukunft geben.»
So wie Imang denken die meisten der älteren Bewohner. Die neuen Technologien sind ihnen fremd geblieben. Für sie endet ihr Lebensraum immer noch irgendwo hinter den Bergen, danach kommt das, was sie als Aussenwelt bezeichnen. Und von dieser haben sie bis heute nur eine vage Vorstellung. Es ist für ihr Leben nicht von Bedeutung, wie der indische Präsident heisst, wie ein Touchscreen funktioniert oder was Facebook ist. Stattdessen kennen sie über 100 verschiedene fruchttragende Bäume, 50 verschiedene Heilpflanzen und acht verschiedene Pfeilgifte. Zur Jagd imitieren sie die Geräusche der Tiere und im Wald verständigen sie sich bis heute mit Oroo, einem komplexen Zeichensystem aus Ästen.
Es ist jahrhundertealtes Wissen, wie es Naturvölkern eigen ist. Und sie befürchten, mit der fortschreitenden Modernisierung könnte es für immer verloren gehen.
In Long Lamai ist es Abend geworden und das Internet funktioniert noch immer nicht. Bereits seit neun Wochen sind die Batterien der einen Solarzelle ausgefallen, der Mechaniker aus der Stadt lässt auf sich warten. Internet-Zugang gibt es zurzeit nur übers Handy-Netz. Weil das Signal wie meistens schwach ist, stehen die jungen Leute neben der Antenne, lesen ihre Nachrichten auf Facebook, laden geduldig Youtube-Videos auf die Handys und die neusten Fotos auf Instagram. Wenn sie jemand fragt, wer von ihnen das Internet am häufigsten nutzt, dann zeigen alle Finger auf Diana, eine junge Frau, 23 Jahre alt, mit schüchternem Lächeln, schelmischem Blick und 1117 Freunden auf Facebook. «Eigentlich zu viele», wie sie findet und deshalb immer wieder einige aussortiert. Zahlreich sind auch ihre Selfies, von denen sie fast jeden Tag ein neues auf ihre Seite hochlädt. Gefällt mir, klicken dann jeweils ihre Freunde in Asien, Europa und Amerika, von denen sie viele nur aus dem Internet kennt.
Facebook ist nicht der einzige Kanal, auf dem Diana kommuniziert. Skype, Instagram, Messenger – auf ihrem Handy hat sie ein Dutzend weitere Applikationen installiert. Sie ist eine Digital Native im wahrsten Sinne des Wortes. Wer aber denkt, die junge Frau wolle Long Lamai eines Tages verlassen, der irrt. «In der Stadt gefällt es mir nicht», sagt sie entschieden. «Alles dort kostet Geld.» Zuletzt lebte sie nach ihrem Schulabschluss in Miri, einer gesichtslosen Grossstadt mit riesigen Parkfeldern und grauen Häuserblocks. Während eines Jahres verliess sie ihre Wohnung fast nur für die Arbeit in einem Lebensmittelladen. «Hier in Long Lamai haben wir alles. Die Tiere können wir jagen, die Früchte pflücken. Es gibt keine Notwendigkeit, etwas zu kaufen.» Sie hoffe auf etwas Tourismus, ein paar einfache Unterkünfte. Viel mehr aber solle sich nicht mehr verändern. «Mir gefällt Long Lamai, wie es jetzt ist.»
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Am nächsten Morgen setzt sich Oteng früh ins Boot und macht sich auf den Weg zu jenem Ort, den hier alle Flughafen nennen. Zwei Stunden dauert die Fahrt nach Long Banga, dem nächstgrösseren Dorf. Zwischen dicht bewaldeten Hügeln und dem Fluss zieht sich eine geteerte Piste durch die Ebene, die zweimal in der Woche von einem Kleinflugzeug angesteuert wird. Mit Oteng im Boot sitzt ein junger Lehrer, der für die Beerdigung seiner Mutter an die Küste fliegen will.
Oteng manövriert das Boot durch Stromschnellen, weicht überspülten Felsen aus. Auf halber Strecke mündet der Balong in den Baram, von da an geht es wieder flussaufwärts. Als Oteng das Boot eine Stunde später an einer Böschung beim Flugplatz festbindet und ans Ufer steigt, dröhnt es in der Luft. Wie ein riesiger Vogel taucht, mit Kurs Richtung Flugfeld, die Twin-Otter über den Bäumen auf. Vor dem kleinen Abfluggebäude setzt sich Oteng auf die Treppe und schaut zu, wie sich das Flugzeug leert und der Lehrer mit einem knappen Dutzend neuer Passagiere zusteigt. Eine halbe Stunde später startet der Pilot die Propeller wieder, die Maschine rollt auf den Asphaltstreifen und beschleunigt. Als sie hinter den weissen Wolkentürmen verschwunden ist, blickt Oteng immer noch in Richtung Horizont.
Noch heute ist er in Gedanken oft in der Stadt, bei den Feiern an der Damai-Beach, den Konzerten, am Meer. «Eines Tages möchte ich dahin zurückkehren, für ein paar Jahre oder auch länger», sagt er. Oder doch seine Kindheitsfreundin heiraten, eine Unterkunft für Touristen eröffnen und ein Leben im Dschungel führen? Er weiss, irgendwann wird er sich entscheiden müssen. Zurück am Ufer wählt er auf dem Handy das nächste Lied, steckt die Kopfhörer in die Ohren, stösst das Boot vom Ufer ab, gibt Gas und fährt zurück nach Long Lamai, an diesen Ort irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, der sein Zuhause ist.