Eulenhof, Wiesholz und Unterbuck: Im äussersten Nordosten, zwischen Rhein und deutscher Grenze, liegen jene Bauernhöfe, von denen Landwirte im ganzen Land lernen könnten. Es sind drei Betriebe von insgesamt 570 im Kanton Schaffhausen.
Auf den ersten Blick wirken sie unauffällig: Auf der Unterbuck produziert Christian Müller Energie, Rindfleisch und Kartoffeln. Auf dem Eulenhof baut Georg Weber Gemüse für die Region an. Und Bruno Gnädinger zählt auf Wiesholz die Eier von seinen 18 000 Hühnern. Etwas zeichnet jedoch alle drei Bauern aus: Sie betreiben ihre Höfe mit Erfolg. Und das ist in der Schweizer Landwirtschaft von heute eher die Ausnahme denn die Regel.
Ob fallende Preise für die Milch, wachsender Konkurrenzdruck aus dem Ausland oder der Euro-Wechselkurs: Die Rahmenbedingungen befinden sich im Umbruch. Dabei ist es den Landwirten in keiner anderen Region besser gelungen, auf die Veränderungen zu reagieren, wie hier im Kanton Schaffhausen.
Am deutlichsten zeigt sich das daran, wie viel die Bauern mit ihrem Land verdienen. Schweizweit ist die Bruttowertschöpfung pro Hektare in den Jahren von 2005 bis 2015 um 3 Prozent gesunken. Das sagen die Zahlen vom Bundesamt für Statistik. Die Schaffhauser Bauern hingegen konnten ihre Bruttowertschöpfung pro Hektare im selben Zeitraum um 30 Prozent steigern. Und erwirtschafteten auf ihren Feldern im vergangenen Jahr mit gut 4000 Franken pro Hektare deutlich mehr als der Schweizer Durchschnitt. In keinem anderen Kanton hat sich die Bruttowertschöpfung der Landwirte im selben Zeitraum annähernd so stark entwickelt wie hier.
Ausstieg aus dem Getreideanbau
Auf die Frage, was in der Schaffhauser Landwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren geschehen ist, reagiert Markus Leumann, der Leiter des Landwirtschaftsamts, zuerst einmal überrascht. «Es blieb von uns nicht unbemerkt, dass sich die Bauernhöfe in den vergangenen Jahren gewandelt haben», sagt er am Telefon. «Aber dass sich das bereits so deutlich auswirkt, erstaunt mich dennoch.» Der Trend überrasche ihn aber nicht. «Es zeichnet die Schaffhauser Bauern aus, dass sie offen sind für Veränderungen.»
Der Mut zu Veränderungen ist Teil des Erfolgsrezeptes der Schaffhauser Landwirtschaft. Immer mehr Landwirte steigen aus dem traditionell verbreiteten Getreideanbau aus, verzichten auf Zuckerrüben oder Milchkühe. Und setzten stattdessen auf neue Produkte: allen voran Frischgemüse, Bohnen, Eier, Geflügel und Rindfleisch. Die Direktzahlungen machen am Einkommen der meisten Schaffhauser Bauern nur einen kleinen Teil aus und liegen deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt.
Christian Müller, der Bauer vom Hof Unterbuck, hat den elterlichen Betrieb vor zehn Jahren übernommen. Damals noch ein klassischer Gemischtwarenladen aus etwas Ackerbau, Rindvieh und Schweinen, hat er seither kaum etwas beim Alten belassen. «Ich sagte mir von Anfang an, ein bisschen von allem, das hat keine Zukunft. Wir müssen uns spezialisieren.» Und das tat er. Er verkaufte die Schweine, holte die Zuckerrüben aus dem Boden und mähte seine Rapsfelder ein allerletztes Mal. Heute gehört er zu den Vorzeigebetrieben im Kanton. Geld verdienen er und seine Frau hauptsächlich mit der Mast von 450 Rindern und von Kartoffeln. Zudem produzieren sie Solarstrom, Biogas und Wärme für die lokalen Energienetze. Veränderungen, sagt Müller, passierten auch auf den Betrieben in seiner Umgebung. Ein Nachbar habe gerade auf zwei Hektaren Kirschbäume gepflanzt, ein anderer einen Stall für knapp 20 000 Legehennen gebaut. «Jene, die den Mut haben zu Veränderungen, die investieren und auf neue Betriebsmodelle setzen, haben die Zeichen der Zeit erkannt.»
Doch der Wille allein reicht nicht. Damit die Landwirte ihre Ideen auch verwirklichen können, braucht es die nötigen Voraussetzungen. Vor allem Land. Denn längst gilt auch in der Schweizer Landwirtschaft: Wer überleben will, muss auf Grösse setzen. Unter den verbleibenden Bauernhöfen ist ein Wettstreit um freie Flächen entbrannt, sie sind ein umkämpftes Gut.
Betriebe grösser als anderswo
Doch der Kanton Schaffhausen unterscheidet sich auch in diesem Punkt vom Schweizer Durchschnitt, und das ist das eigentliche Glück der Bauern. Als traditionelles Ackerbaugebiet sind die Betriebe grundsätzlich grösser als anderswo. Und wer dennoch neues Land braucht, der hat gute Chancen, auf der deutschen Seite der Landesgrenze fündig zu werden.
Auch beim Strickhof, dem landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum im Kanton Zürich, weiss man um den Standortvorteil im Kanton Schaffhausen. Schliesslich absolviert ein Grossteil der Schaffhauser Bauern im Strickhof die Ausbildung. Lukas Rediger, stellvertretender Leiter Beratung, sagt. «Aufgrund der grösseren Betriebsstrukturen haben die Schaffhauser Bauern die notwendigen Voraussetzungen, um von innen her zu wachsen. Das ist ein grosses Plus.»
Trotz den vielen Besonderheiten, in einem zentralen Punkt unterscheiden sich die Schaffhauser Bauern kaum von ihren Schweizer Kollegen. Ob Christian Müller vom Unterbuck, der sich um ein mittelgrosses Unternehmen kümmern muss, Georg Weber, der an Markttagen um vier Uhr früh aufstehen muss, oder Bruno Gnädinger mit den 18 000 Hühnern: Sie alle haben ihr Leben ganz dem Beruf gewidmet. «Sich vergrössern», sagt Gnädinger, «das bedeutet nebst viel Arbeit auch grosses finanzielles Risiko. Denn dass die Konsumenten in einem Jahr immer noch dasselbe wollen wie heute, kann niemand voraussagen.»
Ob Hühner, Rinder oder Bio-Gemüse, etwas haben alle drei Landwirte verstanden, und womöglich ist es das Erfolgsmodell der Schaffhauser Bauern überhaupt: Wollen sie in Zukunft erfolgreich sein, dann müssen sie sich auch am Markt ausrichten.